als Mittelpunkt entstand in Gestalt von Kommentaren zu
Zhuang zi und
Lao zi eine Schulrichtung, und ein Begriff tauchte auf, der sich von
Lao zi herleitete, dessen dialektische Denkweise diese Formulierung ohne weiteres stützen würde: Es handelt sich um die ChongxuanSchule (Schule des "doppelten" Geheimnisses"), dessen Vorläufer möglicherweise bis in das 4. Jahrhundert zurückreichen, seine wichtigsten Vertreter aber in Cheng Xuanying (um 650) und Li Rong (2. Hälfte des 8. Jahrhunderts) gefunden hat.
Der in Werken dieser Zeit häufig verwendete, den Kristallisationspunkt dieser Strömung bildende Terminus
chongxuan ist von einem Passus aus dem 1. Kapitel des
Daode jing inspiriert, der lautet
"geheimnisvoll und abermals geheimnisvoll";
er verweist auf eine zweifache Bewegung des Geistes, sowohl auf der theoretisch-begrífflichen als auch auf der existentiell-mystischen Ebene; ein doppeltes "Vergessen", das Vergessen des Vergessenen, oder auch zweifache Verwerfung des Verwerfens in einer triumphierenden Bejahung, eine in zwei Abschnitten vollzogenen Vertiefung des "Geheimnisses", Überwindung des Glaubens an die Absolutheit des Daseins (dies der Irrtum jener, die der Idee des Absoluten anhängen, die "Ewigkeitsgläubigen"), schließlich Überwindung des Begriffs der Leerheit (der Irrtum der "Nihilisten"),
die zu einer paradoxen Bewußtwerdung der Wirklichkeit des als illusorisch bezeichneten Daseins führt, einer Wirklichkeit, die wahrer ist als die als illusorisch erkannte, einer Befreiung von jeglichem Anhaften an eine Meinung. Es geht darum, nicht bei einer Glaubensvorstellung, welche dies auch immer sein mag, zu verharren und nicht dahin zu gelangen, an die Existenz einer Leerheit zu glauben. Diese stellt nur mehr ein Kittel dar, dessen Ziel aber keineswegs die Vernichtung der Existenz, you, ist. Diese beiden Wahrheiten gilt es gemeinsam zu erfassen, übereinandergelagert zunächst und schließlich zur Gleichheit verschmolzen.
Leerheit ist Fülle und umgekehrt;(!!!!!)
der logische Standpunkt, der zwei gegensätzliche Wahrheiten nicht zur gleichen Zeit erfassen kann und sie nur mehr chronologisch erkennt, muss dahingehend überwunden werden.
Um es noch einmal zu erwähnen: Bei alldem handelt es sich um die Lehren des Madhyamika, die freilich perfekt assimiliert und auf Schriften und Konzepte des Taoismus angewendet werden.
Bei dieser Gelegenheit wird man feststellen, und dies nicht ohne Ironie, dass Buddhisten und Taoisten ganz genau das verwerfen, was zu lehren die Neukonfuzianer, gestützt auf ihre Unkenntnis der beiden Religionen, ihnen zum Vorwurf machen.
aus
Geschichte des Taoismus
Isabelle Robinet
Diederichs Gelbe Reihe